be-digital Forum 2023 «Wer morgen Schatten haben will, muss heute Bäume pflanzen»

Der Zeitpunkt hätte kaum treffender sein können: Der digitale Wandel und Themen wie künstliche Intelligenz sorgen aktuell weltweit für Schlagzeilen. Ist die Wirtschaftsregion Basel für die digitale Transformation gerüstet? Diese Frage stand im Zentrum des ersten be-digital Forums der Handelskammer beider Basel.

Von Cedric Herzog

«Talking about a Revolution» – sprechen wir über eine Revolution. Das Motto des ersten be-digital Forums der Handelskammer beider Basel kommt nicht von ungefähr: Die digitale Transformation verändert unsere Welt derzeit in atemberaubendem Tempo. Und zwar so grundlegend, dass man durchaus von einer Revolution sprechen muss. Wie jede Revolution, birgt auch diese Chancen und Risiken. Im Rahmen des be-digital Forums wurden beide Seiten beleuchtet.

Wie sehr das Thema die Wirtschaft unserer Region bewegt, liess sich nicht zuletzt an der erfreulich hohen Teilnehmendenzahl des Forums ablesen. Rund 150 Gäste durfte die Handelskammer beider Basel in den spektakulären Räumlichkeiten der Selmoni Gruppe in Münchenstein begrüssen. Von dort aus wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf eine augenöffnende Reise durch die Digitalisierung mitgenommen.

Nur noch Monate bis zur Revolution

«Wir betreten in diesem Moment ein neues Zeitalter.» Diese Ansage von Raphael Gielgen dürfte so manchem Teilnehmenden noch lange im Ohr nachgehallt haben. Der renommierte Trendscout der Vitra GmbH zeigte in seiner Keynote auf eindrückliche Weise auf, mit welcher Geschwindigkeit die digitale Transformation voranschreitet. Und während frühere technologische Revolutionen – beispielsweise das Internet – Jahrzehnte benötigten, um tatsächliche Veränderungen zu bewirken, muss man aktuell von ganz anderen Zeitdimensionen ausgehen: «Wir sprechen nicht von Jahren oder Jahrzenten, sondern von Monaten», so Gielgen.

Anhand aktueller Beispiele zeigte Gielgen auf, wie Firmen weltweit aktuell Milliarden investieren, um für den Sprung ins nächste digitale Zeitalter gewappnet zu sein. Dazu gehört etwa Toyotas Mega-Projekt Woven City. Hierbei handelt sich um den Prototyp einer ganzen Stadt, in der Gebäude, Fahrzeuge und Menschen digital vernetzt werden. Andere Beispiele sind das NEOM-Projekt in Saudi-Arabien oder die Symbiose zwischen Mensch und Roboter, die in den Labors der südkoreanischen Firma Naver entwickelt wird.

Zentral: Der Blick in die Zukunft

Das Tempo, mit dem globale Konzerne in die Digitalisierung investieren, kann aus lokaler Perspektive überwältigend sein. Dessen ist sich auch Raphael Gielgen bewusst. Er plädierte deshalb dafür, jetzt aktiv zu werden: «Man muss sich eine Future Literacy aneignen.» Darunter versteht man die Fähigkeit, sich mehrere mögliche Zukunftsbilder vorstellen zu können, um die Gegenwart in einem neuen Licht zu betrachten. Nur wer die Zukunft antizipieren kann, kann heute schon zukunftsweisend handeln. Oder mit anderen Worten: «Wer morgen Schatten haben will, muss heute Bäume pflanzen.»

Das Ende mühsamer Datenanalyse

Nicht minder gebannt lauschte das Publikum auch der Keynote von Sebastian Rappen, der unter anderem als Data & AI Principal bei Microsoft tätig ist. Der KI-Spezialist zeigte auf, wie Microsoft bereits heute künstliche Intelligenz einsetzt, um ihre Produkte intuitiver und die Arbeitsabläufe der Nutzerinnen und Nutzer effizienter zu gestalten. Rappen erlaubte dem Publikum dadurch einen Einblick, wie KI in der Praxis tatsächlich genutzt werden kann – und welche Anwendungen sich derzeit in der Pipeline befinden. Ein anschauliches Beispiel für den Nutzen von KI ist etwa in der Office-Anwendung «Power-BI» zu erkennen. Mittels KI kann das Programm Unmengen roher Daten zu sauber aufgearbeiteten Infografiken und Präsentationen formen. Was manuell einen mühsamen und langwierigen Arbeitsprozess bedeutet hätte, dauert nun nur noch Minuten – wenn überhaupt.

Rappen brachte aber auch sein Wissen rund um den heiss diskutierten KI-Chatbot ChatGPT mit. Dieser wurde von der Firma Open AI erschaffen, die Microsoft gehört. Nebst Infos zum Entwicklungsprozess des Chatbots, beleuchtete Rappen auch Aspekte wie den Datenschutz und ethische Fragen, die beim Publikum auf der Zunge brannten. Rappen hielt fest, wie Microsoft mit solchen Themen umgeht und stellte auch klar, dass es nicht für alle offenen Fragen schon heute eine definitive Antwort gibt.

Podiumsdiskussion: «Es braucht Offenheit»

Zwischen den globalen Ausblicken der beiden Keynote Speaker kamen auch die lokalen Bedürfnisse und Ausblicke nicht zu kurz. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion befassten sich mehrere hochkarätige Persönlichkeiten mit der Frage, wie fit unsere Region für den Wandel ist. Die Diskussionsrunde setzte sich aus Rolf Birkhofer (Endress+Hauser Digital Solutions), Martin Haas (Microsoft Schweiz), Jörg van Wageningen (Selution AG), Baschi Dürr (ehemaliger Regierungsrat, uptownBasel Group) und Andreas Meier (Stv. Direktor Handelskammer beider Basel) zusammen. 

Für Martin Haas ist klar, was es für den erfolgreichen Sprung in die digitale Zukunft braucht: «Wichtiger als die neuen Technologien selbst, ist die Firmenkultur.» Das Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft plädierte für eine Kultur der Offenheit gegenüber neuen Technologien: «Es braucht Leute, die mutig ausprobieren, die bereit sind Fehler zu machen – und die daraus lernen wollen.» Diese Offenheit gelte es auch gegenüber den erwähnten KI-Anwendungen beizubehalten. Eine solche Grundhaltung müsse sich nicht mit einer kritischen Betrachtung dieser Technologien beissen, wie Baschi Dürr zu bedenken gab: «Überbordende Euphorie und Panik sind in diesem Fall beides keine guten Wegweiser.»

Bildungspolitik in der Pflicht

Mit Blick auf die Region Basel ist klar, dass der Fachkräftemangel auch im ICT-Bereich ein zentrales Problem ist. Eine schnelle Lösung gibt es nicht. Untätig bleiben ist aber ebenfalls keine Option, wie Rolf Birkhofer klarstellte: «Die Gefahr ist gross, dass es sonst im grossen Stil zu Auslagerungen ins ferne Ausland kommt.»

Wo also gilt es anzusetzen? Zum einen in der Ausbildung. Der ICT-Unterricht an den Schulen rege heute kaum dazu an, eine Karriere in diesem Bereich anzustreben. «Programmieren macht Spass – das muss besser vermittelt werden», so Jörg van Wageningen, Experte für Cybersecurity und IT-Lösungen. Hier müsse die Wirtschaft die Bildungspolitik verstärkt in die Pflicht nehmen, ist sich die Runde einig.

Andererseits müsse die Attraktivität der Region noch besser beworben werden, um Fachkräfte hierher zu locken. Nebst attraktiven Rahmenbedingungen für Start-Ups, müsse auch in Bundesbern mehr Gehör für das ICT-Potenzial der Region gefunden werden. «Wir müssen politisch Gas geben und mit einer Stimme sprechen», resümierte Andreas Meier: «Ich nehme auch mit Freude mit, dass wir mit unserer Initiative be-digital basel einem echten Bedürfnis nachkommen.»

So unterstützt be-digital Basler Unternehmen

Wie die  Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forums von der Plattform be-digital basel profitieren können, zeigten Deborah Straub (GL-Mitglied der Handelskammer beider Basel) und Mitglieder der Trägerschaft auf. So können sich Unternehmen an verschiedenen Anlässen von be-digital basel vernetzen oder mit einem Cyber Security-Checkup gegen Angriffe aus dem Netz schützen. Darüber hinaus hilft be-digital basel auch bei der Suche nach talentierten Nachwuchskräften. Diese finden Sie im ICT Campus der Handelskammer beider Basel.  Der Fachkräftemangel im ICT-Sektor ist eines der Kernanliegen der Trägerschaft von be-digital basel. Zu dieser gehört auch die Universität Basel, wo Heiko Schuldt die Forschungsgruppe Datenbanken und Informationssysteme leitet: «Ein Problem ist unter anderem, dass der Begriff ICT sperrig und wenig aussagekräftig ist.» Umso wichtiger sei es deshalb aufzuzeigen, wie breit, spannend und zukunftsträchtig dieser Sektor ist. Auch der Sogwirkung Zürichs gelte es entgegenzutreten, hielt Laurin Stoll, CEO und Gründer der YOO AG fest: «Dazu ist ein konzentrierter Effort von Politik und Wirtschaft nötig.» Die be-digital Plattform wird weiterhin ihren Beitrag dazu leisten.

Networking im virtuellen Museum

Eine erste Verarbeitung dieser geballten Ladung an Eindrücken und Informationen erlaubte der abschliessende Apero. Das Thema war gegeben, das Eis schnell gebrochen und das Netzwerken innert Kürze in vollem Gange. Und wer eine kurze Verschnaufpause benötigte, konnte dies mittels eines virtuellen Museumsbesuchs tun. In Kooperation mit dem Historischen Museum Basel lud die Universität Basel zu einem Blick durch die VR-Brille ein. Wer den Gang durch das virtuelle Museum unternahm, dem eröffnete sich eine ganz neue digitale Welt. Eine, die unserer jedoch zunehmend ähnlicher wird – oder ist es grade umgekehrt?