Fachkräftemangel? Nicht bei diesem Basler Analytics-Unternehmen

Innert fünf Jahren hat das Unternehmen zweipunkt ein System entwickelt, um eigenständig neue Fachkräfte auszubilden – und diese auch zu halten. Philipp Grossenbacher, Founder & Managing Director, und Jonas Sieber, Executive Director erklären, was es ihr internes Ausbildungsprogramm so erfolgreich macht.

Von Deborah Strub

Irgendwas musste sich grundlegend verändern, soviel war klar. Es ist 2016 und Philipp Grossenbacher hadert. Zehn Jahre zuvor hatte er die auf digitale Datenanalyse spezialisierte Agentur zweipunkt gegründet. Sein Unternehmen ist in den Jahren dazwischen zwar gewachsen, doch der akute Fachkräftemangel hemmt die weitere Entwicklung der Agentur. «Wir waren damals tief im Tal der Tränen angelangt», sagt Grossenbacher rückblickend. «Uns gings wie vielen anderen Firmen: Auf ausgeschriebene Stellen erhielten wir kaum Bewerbungen. Und die wenigen, die uns erreichten, entsprachen selten unseren Anforderungen.» Die Ausnahme bildeten einige sehr starke Bewerbungen aus dem entfernten Ausland. Das Problem: Fachkräfte aus Ländern ausserhalb der EU und der europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) unterliegen einer Kontingentierung. «Als KMU steht man gegenüber den Grosskonzernen hinten an. Mit anderen Worten: Wir hatten schlicht keine Chance, jemanden aus diesem Pool einzustellen.»

Das Heft selbst in die Hand genommen

Irgendwas musste sich also ändern. Da es offensichtlich nicht die Rahmenbedingungen sein würden, musste es eben zweipunkt selbst sein. «Statt noch länger auf ausgebildete Fachkräfte zu hoffen, wollten wir das Heft selbst in die Hand nehmen. Wir wollten Fachkräfte ausbilden, die genau über jene Kompetenzen verfügen, die unser Unternehmen braucht», erklärt Philipp Grossenbacher die Grundidee. Und so bietet zweipunkt 2017 ein erstes Praktikum an. «Für uns war dabei von Beginn weg klar, dass ein Praktikum bei uns viel mehr bieten muss, als was man sich geläufig darunter vorstellt», erklärt Jonas Sieber, Executive Director des Unternehmens.

«Aus Firmensicht ist unser Anspruch an das Trainee-Programm klar: Wir wollen unser Team verstärken.»

Jonas Sieber
Executive Director

Ein «Kaffee-holen-und-Excel-Tabelle-Ausfüllen»-Praktikum kam für mich nicht in Frage. Stattdessen hat die Agentur in Eigenregie ein mehrstufiges Schulungskonzept ausgearbeitet, dessen Erfolg aufhorchen lässt. Das ursprüngliche Praktikum wurde zu einem Trainee-Programm ausgebaut. Dieses lässt sich verknappt wie folgt zusammenfassen: Während sechs Monaten wird ein intensives und bis ins Detail durchgetaktetes Ausbildungs- und Lernprogramm absolviert. In dieser Zeit müssen eine Serie von simulierten Projekten abgeschlossen werden, die sich inhaltlich sehr nahe an vergangenen oder aktuellen Praxis-Projekten von zweipunkt orientieren – inklusive herausfordernden Kunden, technischen Herausforderungen oder Projektpräsentationen. Dadurch sollen die Trainees eben jene Kompetenzen entwickeln, die sie benötigen, um danach bei zweipunkt direkt einsteigen zu können. Das Ziel des Programms ist letztlich die Festanstellung. «Aus Firmensicht ist unser Anspruch an das Trainee-Programm klar: Wir wollen unser Team verstärken», sagt Jonas Sieber.

Positive Nebeneffekte

In den vergangenen fünf Jahren wurde das hauseigene Ausbildungsprogramm konstant weiterentwickelt – mit Erfolg: 6 der aktuell 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das Trainee-Programm durchlaufen. Die akademischen Hintergründe der ehemaligen Praktikanten sind heterogen und reichen vom IT-Fachmann bis zur Neurowissenschaftlerin. «Ein positiver Nebeneffekt des Praktika-Ansatzes war, dass unsere Agentur dadurch deutlich vielfälliger wurde», erklärt Grossenbacher. «War zweipunkt einst eine reine Männerdomäne, herrscht heute eine beinahe ausgeglichene Geschlechterzusammensetzung. Darauf sind wir stolz.»

«Wir wollen unsere Mitarbeitenden weiterentwickeln und auch längerfristig halten können, ansonsten lohnt sich diese Anstrengung für uns nicht»

Philipp Grossenbacher
Founder & Managing Director

zweipunkt investiert viel Zeit, Effort und Ressourcen in ihr Ausbildungsprogramm. Entsprechend soll die Reise nach dem Trainee-Programm und dem Unterzeichnen eines Arbeitsvertrages noch längst nicht abgeschlossen sein. «Wir wollen unsere Mitarbeitenden weiterentwickeln und auch längerfristig halten können, ansonsten lohnt sich diese Anstrengung für uns nicht», stellt Grossenbacher klar. Er ist sich dabei durchaus bewusst, dass zweipunkt beim Buhlen um gut ausgebildete Fachkräfte in direkter Konkurrenz zu internationalen Grossunternehmen und deren Headhunter steht. «Für ein KMU wie unseres bedeutet dies, dass wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr bieten müssen als monetäre Anreize.»

Neue Stufen, neue Rollen

Eine Lösung sieht das Unternehmen darin, seinen Mitarbeitenden klare Perspektiven und Weiterentwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. «Dann geht es bei uns erst richtig los», weiss Jonas Sieber. Wer es vom Trainee zum Junior geschafft hat, kann sich zum Professional, Senior oder Expert in den verschiedenen Arbeitsfeldern des Unternehmens entwickeln. Jede dieser Stufen ist mit neuen Rollen und Kompetenzen versehen. So können die Team-Mitglieder berufliche Ziele und Ambitionen innerhalb des «zweipunkt-Systems» definieren und das Unternehmen kann den Weg dahin transparent aufzeigen. «Während des Traineeships können bereits erste Talente und Interessen erkannt werden. Es soll aber auch danach noch Platz für die persönliche Entwicklung und die Selbstbestimmung geben», sagt Sieber. Letzteres erachten Grossenbacher und Sieber als besonders wichtigen Faktor, um Mitarbeitende längerfristig halten zu können. 

Was das Beispiel zweipunkt letztlich aufzeigt: Talentierte und kompetente Fachkräfte können gefunden, gefördert und gehalten werden. Direkt hier in der Schweiz. Dazu sind von den Unternehmen Ideen, echter Effort, Ausdauer und eine langfristige Strategie gefragt. 

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