Digitalisierung im Personalwesen

Die Möglichkeiten der Digitalisierung haben auch grossen Einfluss auf die Arbeit von Personalabteilungen. Dies gilt auch, aber längst nicht nur für den Rekrutierungsprozess.

Von Andreas Maeder

Wenn wir über die digitale Transformation von Unternehmen sprechen, taucht das Personalwesen meist nicht als erstes Thema auf. Die Industrie 4.0 mit ihren intelligenten Produktionsanlagen oder die «Digital Customer Journey» - solche Beispiele stehen meist vorher auf der Tagesordnung. Doch auch für das HR-Management bietet die Digitalisierung grosse Chancen und Potenziale. Besonders deutlich wird dies im Zusammenhang der Rekrutierung, die sich in den letzten Jahren auch aufgrund der neuen digitalen Möglichkeiten stark verändert hat.

Stellenanzeigen auf Online-Portalen und Firmen-Websites

Wann haben Sie zuletzt bewusst eine gedruckte Stellenanzeige wahrgenommen? Früher stellten Job-Inserate zumindest gefühlt den Hauptbestandteil der Wochenendausgaben aller grossen Tageszeitungen dar. Heute findet man beinahe alle Angebote auch im Netz. Der Basler Cloud-Software-Anbieter jacando veröffentlichte Ende 2016 eine Studie, die sich damit befasst, auf welchen Online-Kanälen offene Stellen publiziert werden. Das Ergebnis: Zwischen 80 und 90 Prozent aller Jobs landen auf entsprechenden Internet-Portalen, beinahe 80 Prozent auf der firmeneigenen Website, knapp die Hälfte auf LinkedIn, etwas weniger auf XING, etwas mehr als 15 Prozent auf Facebook und schliesslich halten sich Google-Anzeigen und Twitter bei rund 15 Prozent die Waage. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Verteilung seit Erscheinen der Studie noch zugunsten der sozialen Netzwerke verändert hat.

Zielgruppen auf sozialen Medien erreichen

Es leuchtet nur ein, dass Unternehmen in der Rekrutierung auf Online-Kanäle setzen. Man muss Stellen dort ausschreiben, wo sich die Wunsch-Kandidatinnen und Kandidaten aufhalten - und wer ist schon nicht online? Doch die verschiedenen Kanäle bieten weit mehr als nur die Versammlung von möglichst vielen Menschen. Gerade in den sozialen Medien besteht die Möglichkeit, klar definierte Zielgruppen anzusprechen und so den klassischen Streuverlust deutlich zu verringern. Mit einer entsprechenden Suche können sogar Personen aufgrund ihrer Qualifikationen gefunden und kontaktiert werden. LinkedIn hat sich in diesem Bereich viel vorgenommen: Dank «Talent Intelligence» sollen Unternehmen auch «einsehen können, wen sie wann und wie am besten ansprechen», verrät Barbara Wittmann, Mitglied der Geschäftsleitung von LinkedIn DACH, der Handelszeitung.

Messaging-Kanäle und Chatbots

Die Rekrutierung endet nicht mit der ersten Kontaktaufnahme - ebenso wenig wie die digitalen Möglichkeiten. Gerade wenn eine Stelle auf der firmeneigenen Website ausgeschrieben wird, sollten Bewerberinnen und Bewerber entsprechend betreut werden. Dabei geht es um die Art, wie die Bewerbung einzureichen ist (E-Mail, Online-Formular), aber auch um das «Drumherum». So kommen mittlerweile immer häufiger so genannte Chatbots zum Einsatz, welche typische Bewerber-Fragen beantworten können, unabhängig von der Tageszeit oder anderen Aufgaben, die in der Personalabteilung gerade anstehen. Wird eine Stelle auf den sozialen Medien ausgeschrieben, eröffnen auch über die dort vorhandenen Messaging-Kanäle eine direkte Kontaktmöglichkeit zu potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern. Vor allem auf Facebook lässt sich dieser Prozess mittlerweile ebenfalls gut automatisieren.

Am Ende entscheiden Menschen, nicht die Software

Auch für das Sichten der eingeschickten Unterlagen existieren mittlerweile Software-Lösungen. Sie bieten sich vor allem bei Stellen an, für die viele Bewerbungen eingehen. So müssen Personaler keine Dossiers bearbeiten, die beispielsweise ein als zentral definiertes Kriterium nicht erfüllen. Gleichzeitig bedeutet dieses Vorgehen auch die Gefahr, dass gut geeignete Kandidatinnen oder Kandidaten durchs Raster fallen, weil die Anforderungen in der Software zu starr festgelegt sind. Beispielsweise wird in diesem Zusammenhang immer wieder die Befürchtung geäussert, die Software könne genutzt werden, um alle Personen ab einem bestimmten Alter «auszufiltern». Zwar besteht diese Möglichkeit, für ein solches Vorgehen benötigt ein Unternehmen keine Software. Ob sinnvolle Kriterien zur Anwendung kommen, liegt weiter in der Verantwortung des Arbeitgebers, nicht der Software.

Erstes Interview per Video

Häufig dürfte das Annehmen oder Ablehnen solcher Technologien in der Rekrutierung auch eine Frage der Gewohnheit sein. Betrachten wir hierfür ein weiteres Beispiel der digitalen Personalsuche. Grössere Unternehmen setzen heute bereits auf Video-Interviews mit Bewerberinnen und Bewerbern, welche die erste Auswahlrunde passiert haben. Dabei sitzt auf der anderen Seite der Leitung nicht zwingend ein Mensch. Mittlerweile ist es durchaus denkbar, dass die Fragen einfach eingeblendet oder in Form eines voraufgezeichneten Videos gestellt werden. Die Antworten werden dann aufgenommen und der Personalabteilung zur Verfügung gestellt. Wer sich in seinem Leben mehrfach «konventionell» beworben hat, kann dieses Vorgehen leicht als befremdlich empfinden. Doch gerade jüngere Arbeitskräfte erkennen darin auch die Möglichkeit, den Bewerbungsprozess voranzutreiben, ohne sich gross um Terminvereinbarungen kümmern zu müssen. Man darf gespannt sein, wie sich die weitere Entwicklung gestaltet. Die geschilderten Möglichkeiten beziehen sich beinahe ausschliesslich die Rekrutierung - mit der die HR-Arbeit ja nur beginnt. Auch in der weiteren Betreuung der Mitarbeitenden bietet die Digitalisierung zahlreiche Möglichkeiten. Dies könnte ein Thema für einen Digital Checkup sein, welche die Handelskammer beider Basel ihren Mitgliedunternehmen im Rahmen der Initiative «Are you digital?» anbietet.

Übrigens: «Are you digital?» unterstützt im Rahmen eines Digital Project den Basler Software-Anbieter Marseco bei der Weiterentwicklung der weltweit ersten digitalen Recruiterin Mara.