Wie ein Sissacher ICT-Unternehmen global für Schlagzeilen sorgt

Trotz der fortschreitenden Digitalisierung sind heute noch immer Millionen Menschen damit beschäftigt, Daten von Hand einzutippen. Geht es nach der Parashift AG, soll damit nun Schluss sein. Mit ihrer Software unterstützt das Startup Unternehmen dabei, Dokumente automatisch zu konfigurieren, zu klassifizieren und zu extrahieren.

Von Andreas Maeder

Alain Veuve ist ein sogenannter «Parallel-Unternehmer». In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Baselbieter an einer ganzen Reihe von Startups finanziell und operativ beteiligt. Veuves Fokus lag dabei meist auf Technologie-Startups. So ist es auch bei seinem jüngsten Projekt: 2018 gründete Veuve in Sissach die Parashift AG. Mit dem neuen Unternehmen wollen Veuve und sein Team nicht weniger als einen «grundlegenden Paradigmenwechsel» erreichen. Veuve weiss, dass sehr viele Unternehmen den Grossteil ihrer Dokumente noch nicht automatisiert haben. Parashift will dies ändern: Das Unternehmen hat ein System entwickelt, das automatisch Geschäftsbelege aller Art erfasst, interpretiert und im digitalen Archiv ablegt. Die cloudbasierte Software basiert dabei auf Machine Learning und Künstlicher Intelligenz. «Wir sind in der Lage, sämtliche Dokumentenprozesse aus jeder Branche und in jedem Unternehmen zu automatisieren. Dadurch unterscheiden wir uns fundamental von anderen Anbietenden», sagt Veuve. Mithilfe von künstlicher Intelligenz will das Unternehmen seinen Kundinnen und Kunden in Zukunft viel mühsamen Papierkram ersparen.

«Wir sind in der Lage, sämtliche Dokumentenprozesse aus jeder Branche und in jedem Unternehmen zu automatisieren. Dadurch unterscheiden wir uns fundamental von anderen Anbietenden»

Alain Veuve
CEO & Founder Parashift AG

Die Technologie lernt stetig dazu

Mit Parashift können ganz unterschiedliche Verwaltungsprozesse komplett digital und durchgängig abgewickelt werden. Das Zauberwort dabei heisst «Document Swarm learning». Ganz ähnlich, wie es Menschen analog tun, generiert der Computer selbständig Wissen aus Erfahrung und findet eigenständig Lösungen für neue und unbekannte Probleme. «Unser System lernt aus jeder Transaktion dazu und verbessert sich schnell», so Veuve. Da Parashift komplett API-basiert funktioniert, kann der Service zudem problemlos auch über Drittapplikationen verwendet werden». 

Aktuell zählt Parashift 100 Kundinnen und Kunden aus aller Welt, bei den meisten davon handelt es sich um  grössere Unternehmen. «Unsere Software könnte aber durchaus auch für KMU interessant sein.» So global die Kundschaft, so international ist auch das Team aufgestellt: Zu dem 37-köpfigen Team zählen Mitarbeitende aus Neuseeland, Indien, Deutschland, Polen und aus der Schweiz. Zudem hat das Unternehmen mittlerweile auch in den USA ein kleines Büro eingerichtet. Mit seiner Idee trifft Alain Veuve den Puls der Zeit: 2019 wurde Parashift vom Wirtschaftsmagazin «Forbes» als eines der 30 vielversprechendsten Fintech-Start-ups in Europa bezeichnet. Das Portal «Fintechnews» nennt es gar eine der zehn wichtigsten Neugründungen im Bereich künstliche Intelligenz.

Warum gerade Sissach?

Stellt sich die Frage, warum sich ein solches Unternehmen seinen Sitz ausgerechnet in Sissach wählt. Wäre Parashift in Zürich, Berlin oder gar im Silicon Valley nicht besser aufgehoben? «Die Region Basel ist tatsächlich kein Hotspot der ICT-Industrie», bestätigt Alain Veuve. Trotzdem gebe es durchaus Punkte, die für den Standort sprechen. Eine davon sei die kulturelle Offenheit, für welche die Region Basel bekannt ist. «Unsere Mitarbeitende fühlen sich hier wohl.» Zudem sei die Verkehrsanbindung sehr gut. Weiter schätzt Veuve auch den Austausch und die projektbezogene Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz. Und zu guter Letzt hatte der Firmengründer auch private Gründe, um sein jüngstes Unternehmen in Sissach zu gründen: «Ich lebe mit meiner Familie hier.» Es gebe aber durchaus auch Punkte, die am Standort nicht optimal seien.

So vermisst Veuve den Austausch mit anderen Unternehmen aus dem ICT-Bereich. «Als Spezialisten für künstliche Intelligenz und Machine Learning gehören wir im Raum Basel noch immer zu den Exoten.» Ebenfalls fehle ein Netzwerk, das innovative Startups und potenzielle Investorinnen und Investoren gezielt zusammenführe. «Dafür braucht es das passende Ecosystem», sagt Veuve. Nur wenn dieses existiere, würden sich langfristig neue und innovative Unternehmen in der Region ansiedeln und Arbeitsplätze schaffen. Der Vorteil für Parashift: «Die meisten guten Kandidatinnen und guten Kandidaten aus der Region kommen früher oder später bei uns vorbei.» 

«Als Spezialisten für künstliche Intelligenz und Machine Learning gehören wir im Raum Basel noch immer zu den Exoten.»

Alain Veuve
CEO & Founder Parashift AG

Späterer Verkauf ist nicht ausgeschlossen

In nächster Zeit werden Veuve und sein Team daran arbeiten, ihre Technologie weiter voranzubringen und möglichst viele Kundinnen und Kunden zu akquirieren. «Natürlich möchten wir so schnell wie möglich den Break-even-Punkt überschreiten.» Noch ist es nicht soweit, denn schliesslich ist das Unternehmen auch erst seit rund einem Jahr kommerziell unterwegs. Langfristig will sich das Sissacher Tech-Unternehmen zu einem relevanten Player im globalen KI- und Software Markt entwickeln. Auch ein späterer Verkauf des Unternehmens schliesst Veuve nicht aus. Bereits hätte es diesbezüglich einige konkrete Angebote gegeben – «doch noch ist es zu früh dafür».  

Übrigens: Auch wenn durch Services wie jene von Parashift Firmen effizienter werden sollen, geht Alain Veuve nicht davon aus, dass es sich bei seiner Software um einen «Jobkiller» handelt. «Unsere Software soll viel mehr dazu beitragen, die Unternehmen und ihre Mitarbeitenden zu entlasten.» Ausserdem sei der Mensch grundsätzlich ein exploratives Wesen. «Mit jeder Automatisierung schaffen wir Raum für neue Innovationen.»