Blockchain-Forscher Fabian Schär: «Informieren geht über Investieren»

Über keine andere technologische Entwicklung wird so viel gesprochen, geschrieben und spekuliert wie über die Blockchain. Das Potenzial scheint gewaltig, der Nutzen in der Praxis oft noch schleierhaft – gerade auch für KMU. Was man dazu wissen muss – und auch was nicht – erklärt Professor Fabian Schär von der Universität Basel.

Von Deborah Strub

Der Blockchain -Technologie haftet noch immer etwas Mysteriöses, Undurchschaubares an: Jeder hat schon davon gehört, kaum einer weiss, wie sie funktioniert. Die Technologie scheint zu komplex, um sie mit einfachen Worten zu beschreiben. Dem widerspricht Professor Fabian Schär von der Uni Basel deutlich. «Im Grunde handelt es sich bei der Blockchain um eine Datenbank – und Datenbanken sind nun wahrlich nichts neues oder komplexes.» Schär ist einer der renommiertesten Forscher im Bereich Distributed Ledger Technologien (DLT) wie der Blockchain. «Neu daran ist die Tatsache, dass diese Datenbank als Gemeinschaft von einem Netzwerk geführt wird, statt von einer spezifischen Organisation – beispielsweise einer Bank oder einer Regierung.»

Eine revolutionäre Technologie

Die Blockchain ist im Kern also ein Zusammenarbeitsmodell. Sie ermöglicht es, Plattformen zu schaffen, die nicht einer einzelnen Firma oder einer Regierung gehören. So kann verhindert werden, dass Monopolstrukturen ausgenutzt werden können. Ein Beispiel: Wer heute eine Geldtransaktion durchführt, tut dies meist über die Plattform und Server eines Unternehmens – beispielsweise einer Bank. Nebst den anfallenden Gebühren muss man der Bank auch vertrauen, dass sie die Transaktion korrekt durchführt. In der Schweiz ist dieses Vertrauen relativ hoch, in anderen Ländern ist dies nicht zwingend der Fall. «Gerade mit Blick auf autokratische Regierungsstrukturen kann die Blockchain-Technologie durchaus revolutionär sein», ist Schär überzeugt.

Es geht nicht nur um den Finanzsektor

Im Finanzsektor hat die Technologie bereits hohe Wellen geschlagen – insbesondere in Zusammenhang mit Kryptowährungen wie dem Bitcoin. Es ist jedoch kein reines Finanztool. Wie die Blockchain den Markt verändern kann, erfährt derzeit etwa auch die Kunstbranche: «Die Blockchain ermöglicht es, eine ‹digitale Seltenheit› zu gewährleisten und ein digitales Original zu schaffen. Das erlaubt beispielsweise den Handel mit digital kreierten Kunstwerken – sogenannten NFTs.»

Der Blockchain wird seit Jahren gewaltiges Disruptionspotenzial attestiert – also das Potenzial, etablierte Produkte, Märkte und Unternehmen nicht nur zu ergänzen und zu erweitern, sondern diese vollständig zu ersetzen. In den oben genannten Sektoren manifestiert sich dieses Potenzial teilweise bereits in der Praxis. Wie aber sieht es mit kleinen und mittleren Unternehmen aus? Wie können diese die Blockchain in der Praxis nutzen? Fabian Schär verweist etwa auf die Möglichkeiten der Unternehmen, sich und ihre Projekte über die Blockchain zu finanzieren. So können zum Beispiel die Wertpapiere einer Firma digital dargestellt und über die Blockchain gehandelt werden.

Blockchain-Wissen Inhouse aneignen

Bei vielen KMU dürfte der Praxisnutzen der Blockchain heute noch überschaubar sein. In Zukunft könnte sich dies jedoch ändern. Das wichtigste für KMU sei deshalb, sich jetzt Wissen über die neuen Technologien anzueignen, betont Experte Schär: «Entscheidend ist, dass sich die Unternehmen dieses Know-how Inhouse aneignen. Das kann in einem überschaubaren Rahmen passieren, die neue Technologie aber komplett zu ignorieren wäre ein Fehler.» Das Wissen einfach «ausser Haus» bei spezialisierten Consultingfirmen einzukaufen, kann nicht nur finanziell teuer werden, sondern auch zu Abhängigkeiten führen, warnt Schär. Wichtig sei aber auch, dass man die Grenzen der Technologie kenne: «Die Blockchain ist nicht die Lösung für alles – auch wenn manche Influencer dies derzeit gebetsmühlenartig propagieren. Ob der Einsatz der Technologie für das eigene Unternehmen bereits Sinn macht, kann man nur beurteilen, wenn man sowohl die Technologie, als auch das eigene Geschäftsmodell versteht.»

«Die Blockchain ist nicht die Lösung für alles – auch wenn manche Influencer dies derzeit gebetsmühlenartig propagieren.»

Fabian Schär
Professor von der Universität Basel, Blockchain-Forscher

Kostenlose Vorlesungen an der Uni Basel

Um sich dieses Grundlagenwissen anzueignen, müssen KMU nicht zwangsläufig Geld investieren. So verweist Fabian Schär beispielsweise auf die offenen Vorlesungen der Universität Basel zum Thema. Die von Schär geführten «Cryptolectures» sind kostenlos und öffentlich zugänglich. Schritt für Schritt führen die Videos in die Technologie und deren konkrete Anwendungsmöglichkeiten ein. Praxisnahe Erfahrungen können zudem an der «Blockchain Challenge» der Uni Basel gesammelt werden. Im Rahmen eines Wettbewerbs arbeiten Studierende mit Firmen zusammen, um für diese ein Blockchain-Konzept zu entwickeln. «Während Studenten praktisches Know-how zum Thema erwerben, können Firmen sich in diesem Rahmen ebenfalls praxisnah mit der Materie auseinandersetzen und deren Potenzial für das eigenen Unternehmen ausloten», sagt Schär. Die Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain entwickeln sich derzeit rasant weiter. Unternehmen tun deshalb gut daran, unabhängig von Grösse und Ausrichtung, ein Auge auf diese Entwicklungen zu halten.

Join the Community!

Eine gute Gelegenheit, das Verständnis zu Blockchain und weiteren Themen der digitalen Transformation zu erhalten, ist das be-digital Forum der Handelskammer beider Basel. Wir zeigen auf, welche Chancen sich bieten und wie sich die Veränderung auf die Art und Weise auswirkt, wie wir wirtschaften und zusammenarbeiten. Die Veranstaltung richtet sich an Unternehmen, die das Potenzial von Blockchain, NFT etc. besser verstehen und für das eigene Unternehmen nutzen möchten.

Melden Sie sich heute an, um die Einladung nicht zu verpassen und reservieren Sie sich bereits jetzt den 27. April 2023 in Ihrem Kalender. Weitere Informationen folgen.

Join the Community

Die zentralen Elemente einer Blockchain-Datenbank

Öffentliche Blockchain: Innerhalb eines Netzwerkes haben alle Teilnehmenden Zugriff auf die Datenbank. Transaktionen können eigenständig angestossen und durch alle Teilnehmenden validiert werden. Es bestehen keine Sonderprivilegien oder systemrelevante Teilnehmer.

Unveränderliche Datensätze: Kein Teilnehmer kann eine Transaktion ändern, nachdem sie in der gemeinsamen Datenbank aufgezeichnet worden ist. Somit kann sie auch nicht verfälscht werden.

 «Smart Contracts» (Intelligente Verträge): Weiterführende Anwendung für die ein Satz von Regeln – Smart Contracts genannt – auf der Blockchain gespeichert und dezentral abgewickelt wird.

So funktioniert die Blockchain

Datenblöcke: Transaktionen innerhalb der gemeinsam geführten Datenbank werden als Datenblock aufgezeichnet. Diese Transaktionen zeigen die Bewegung eines Wertobjekts an. Dieses kann ein materielles Produkt oder auch ein immaterielles (geistiges) Erzeugnis sein.

Verbundene Blöcke: Jeder Datenblock referenziert den vorhergehenden Block. Dadurch entsteht eine Kette (Chain). Die Blöcke halten den Zeitpunkt und die Reihenfolge der Transaktionen fest. Kein Block dieser Kette kann verändert werden ohne die Kette zu invalidieren. Es kann zudem auch kein Block zwischen zwei bestehenden Blöcken eingefügt werden.

Die Stärke der Blockchain-Technologie liegt in der Unveränderlichkeit und der Möglichkeit, Werteinheiten selbst zu verwahren. Jeder zusätzliche Block verstärkt die Sicherheit der vorherigen Blocks und jede Transaktion ist in der öffentlichen Datenbank gespeichert. In dieser Transparenz und Unveränderlichkeit liegt die grosse Stärke der Blockchain: «Verdeckte» Manipulation durch einen böswilligen Akteur können dadurch ausgeschlossen und Abhängigkeiten vermieden werden.